Ein palindromer Roman entsteht
[ Blog ] [ Gedichte ] [ Roman: Vorwort ]

Home -- Kontakt & Impressum -- Sitemap
Seit Anfang November 2006 wächst dieser Text aus seiner Mitte heraus in die Welt. Vergleichbar einem Magmafeld ergießt sich dabei frische Buchstabenlava gleichmäßig zu beiden Seiten und verdrängt erkaltende Worte immer weiter an die Ränder. Anfang und Ende der Geschichte sind also die ältesten Ablagerungen und längst erstarrt. Sie können gefahrlos betreten werden. Nur im Zentrum wird stets ein Krater klaffen. Um eruptive Aktivitäten braucht sich allerdings niemand zu sorgen ;) Ein solcher Überfluss ist der deutschen Sprache wesensgemäß fremd. Im Hinblick auf Palindrome schien sie nie besonders reichhaltig bzw. freigiebig zu sein - weist sie an ihrer Oberfläche doch höchst selten einige verstreute Exemplare auf. Um mehr davon zu Tage zu fördern, muss man tiefer schürfen: Spurenelemente im Wortsteinbruch. Nur dadurch, dass man als Autor absolut Feuer und Flamme davon ist, lassen sie sich mühsam herauslösen und aufbereiten. Der Reingewinn: vielleicht eine Handvoll Wörter am Tag. Das macht diese Art Literatur wohl eher dem Bleigießen verwandt: es geht nicht ohne Abschreckung ;) So erwachsen scheinbar willkürliche Formationen, die beim Betrachter Assoziationen auslösen können. Also nichts weiter als in morphologischer Beliebigkeit erstarrte Zufallsbotschaften?
Wären kombinatorische Algorithmen dabei das einzige Geheimnis, könnte das ein Computer genauso gut (und schneller) erledigen. So erreichte eine der umfassendsten maschinellen Sequenzierungen an nur einem Tag eine Mächtigkeit von 17826 Wörtern:
"A man, a plan, a cameo, Zena, Bird, Mocha, Prowel, a rave, Uganda, Wait, a lobola, Argo, Goto, Koser, Ihab, Udall, a revocation, Ebarta, Muscat, eyes, Rehm [ ] Herse, Yetac, Sumatra, Benoit, a coverall, a dub, a hire, Sokoto, Gogra, a lobo, Lati, a wadna, Guevara, Lew, Orpah, Comdr, Ibanez, OEM, a canal, Panama!"
Das ist zwar eindrucksvoll aber wenig unterhaltsam. Schichtung allein macht da noch keine Geschichte und die Überhäufung nicht automatisch ein Geschenk. Es verbleibt ein Rest von Magie, der dem Leser solche Mega-Aneinanderreihungen zugänglich und erfahrbar machen kann. "Linguistische Mimese" klingt da sicher nicht nach einem Zauberwort. Doch sie erschafft hier eine begehbare Wortkulisse, die der echter Sätze zum Verwechseln ähnlich scheint. Wenn auch recht holprig, bildet sich so ein "Trampelpfad", auf dem man vorankommt: ein Spaziergang, querfeldein durch palindromes Neuland. Wohin das einmal führen wird, weiß ich auch nicht. Aber ich hoffe, es hat etwas mit schmerzenden Füßen zu tun ;)
Buchstabenpalindrome sind in dieser Komplexität nur möglich, weil sie im Rückwärtsgang meistens bestehende Satz- und Leerzeichen überspringen. Die Worte laufen dann völlig neben der Spur und jenseits der gewohnten Abtrennungen gewissermaßen über Stock und Stein hinweg. Ein solches Zusammensehen und Fährtenlesen muss gerade ungeübten Lesern anfänglich schwer fallen und seltsam erscheinen. Lassen Sie sich aber bitte nicht entmutigen: es braucht nur etwas Eingewöhnung! Dann erschließt sich eine bizarre Spiegelwelt, in der scheinbar nichts zusammenpasst und doch alles auf wundersame Weise im Innersten harmoniert.
Berlin, im Herbst 2006
Martin Mooz
Atueller Stand:  8 Kapitel (ca. 1500 Sätze, 7500 Wörter bzw. 45000 Buchstaben)
Selbstvertrauen ist gut - Kontrolle besser ;) Bei Palindromen geht es um alles oder nichts. Ein einziger Fehler würde sie entwerten. Weil man seinen eigenen Augen da oft nicht trauen kann, unterliegt der Roman während des Schreibens regelmäßigen Symmetrietests. Möglich wird das durch spezielle Online-Prüfroutinen von gnudung.de oder spinelessbooks.com. Den Seitenbetreibern sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Auch jumk.de, dessen Analyse-Software hervorragende Dienste beim Auszählen der Wörter und Buchstaben leistet. Den Prüftext stelle ich gerne zur weiteren Verfügung: Palindrom-Roman.txt.
Zum Roman